BÜRGERBEGEHREN
Die Bezeichnung Radentscheid wird für Bürgerbegehren (und -entscheide) genutzt, die sich für eine bessere Radverkehrssicherheit und -infrastruktur in Städten einsetzen. Ein Radentscheid ist also ein Instrument der direkten Demokratie.
Bürgerbegehren und -entscheid:
Bürger:innen unterzeichnen einen gemeinsamen Antrag, in unserem Fall die Unterschriftenlisten. Die Listen werden gesammelt und bei der Stadt eingereicht und ausgezählt. Diese kann das Begehren dann annehmen oder ablehnen. Tritt Letzteres ein, werden alle wahlberechtigten Lübecker:innen aufgefordert, an der Urne darüber abzustimmen – ein sogenannter Bürgerentscheid.
In Lübeck muussten innerhalb von sechs Monaten knapp 8.000 gültige Unterschriften gesammelt werden.
Mit der Unterschriftensammlung haben wir am 6. August 2021 auf der Demo der Fridays for Future Lübeck gestartet! Am 2. Februar 2022 haben wir unser Begehren samt 13.610 Unterschriften dem Bürgermeister übergeben.
Unterschreiben duurften alle wahlberechtigten EU-Bürger:innern ab 16 Jahren, die bis zur Abgabe der Unterschriften bei der Stadt seit mindestens drei Monaten ihren Erstwohnsitz in Lübeck hatten.
Leider sind nur Unterschriften auf Papier gültig, um im Sinne der Gemeindeordnung anerkannt zu werden.
Begrenzte Mittel sind kein Argument gegen eine Förderung des Radverkehrs –im Gegenteil! Keinen anderen Verkehrsträger kann man so günstig und schnell ausbauen.
Zudem gibt es zurzeit so viele Förderprogramme für den Ausbau von Fahrradinfrastruktur wie noch nie. Der Bund und das Land übernehmen je nach Förderprogramm bis zu 75% der Planungs- und Baukosten und bei Projekten mit Modellcharakter sogar bis 100% der Kosten. Durch die Verlagerung des Verkehrs auf das Fahrrad sinken Lärm, Staus, Luftverschmutzung und Unfälle und dadurch die Lasten für das Gesundheitssystem. So kann die Stadt durch attraktive Radinfrastruktur auf lange Sicht sogar eine ganze Menge Geld einsparen.
Einige unserer Ziele und Maßnahmen könnten sogar schon umgesetzt sein, wenn es in Lübeck den notwendigen Willen für eine zukunftsgewandte Radverkehrspolitik gäbe. Die Hansestadt hat ein Radverkehrskonzept [1], das auf Basis des Verkehrsentwicklungsplans von 1999 erstellt wurde. Die Ausgangsdatenlage, also die Analyse des Ist-Zustandes, ist von 2012. Die Umsetzung der Maßnahmen war für den Zeitraum 2013 bis 2020 geplant. Laut dem Kommunalbericht 2021 des Landesrechnungshofs Schleswig Holstein [2] wurden von 144 geplanten Maßnahmen nur 29 umgesetzt. Unserer Meinung nach verfolgt die Hansestadt Lübeck ihre eigene Radverkehrsstrategie nicht konsequent genug. Mit dem Radentscheid Lübeck geben wir der Stadt eine klare Richtlinie an
die Hand, die eine zügige Verbesserung der Verkehrssituation
ermöglicht.
Quellen:
[1] https://www.luebeck.de/de/stadtentwicklung/stadtplanung/verkehrskonzepte-oepnv/fahrradfreundliches-luebeck.html
[2] https://landesrechnungshof-sh.de/file/kommunalbericht2021.pdf
Die Zulässigkeit unseres Bürgerbegehrens wurde von der Kommunalaufsicht in Kiel geprüft. Mit ihrem Schreiben vom 4. März teilten sie uns mit, dass sie es aufgrund drei der acht Forderungen als unzulässig einstufen. Bei den beanstandeten Forderungen geht um sichere Kreuzungen, eine Rad- und fußgängerfreundliche Baustellengestaltung und die Vermeidung von Zweirichtungsradwegen.
Juristischer Hintergrund der Bedenken der Kommunalaufsicht ist die rechtliche schwierige Abgrenzung zwischen Aufgaben, über die die Hansestadt Lübeck selbst entscheiden darf (Selbstverwaltungsaufgaben) und sogenannten Weisungsaufgaben, welche die Straßenverkehrsbehörde z.B. bei konkreten Beschilderungen eigenständig auszuführen hat. Unsere Stellungnahme an die Kommunalaufsicht findet ihr hier.
WARUM SOLLTEN ... DEN RADENTSCHEID UNTERSTÜTZEN?
Fahrräder gehören nicht auf den Gehweg, sondern auf den Radweg. Tatsächlich fahren Fahrradfahrer:innen manchmal auch auf dem Gehweg – vor allem dort, wo ein Radweg nicht vorhanden oder zugeparkt ist oder um einen langsameren Radfahrer zu überholen (wenn der Radweg dafür zu schmal ist). Das entschuldigt dieses Verhalten nicht, begründet es aber zumindest. Regelverstöße werden von allen Verkehrsteilnehmer:innen aktuell leider noch viel zu oft begangen – etwas, das wir keinesfalls bestärken oder fördern wollen! Eine angemessene Infrastruktur jedoch führt zu mehr Regeltreue – auch unter den Radfahrenden. Solange jedoch Fußgänger:innen und Radfahrende auf das bisschen Platz gequetscht werden, das der Autoverkehr übrig lässt, werden Konflikte provoziert. Der Radentscheid fordert deshalb an vielbefahrenen Straßen klar getrennte, sichere und vom motorisierten Verkehr nicht befahrbare Wege und ist – auf Grund der Erfahrungen aus anderen Ländern – davon überzeugt, dass diese von den Radfahrenden dann auch gerne genutzt werden. So können Fußgänger:innen wieder ungestört auf dem Gehweg unterwegs sein. Mehr Platz und Sicherheit für Radfahrende auf der Straße bedeuten mehr Platz und Sicherheit für Fußgänger:innen auf dem Gehweg.
Von Verbesserungen der Radverkehrsführung und besseren Straßen und Wegen profitiert nicht nur der Radverkehr. Durch eine klare Verkehrsführung kann sich der Autoverkehr insbesondere an Kreuzungen und Kreisverkehren besser auf den Rad- und Fußverkehr einstellen. Dadurch sinkt sowohl das Konfliktpotential als auch die Unfallgefahr für alle am Straßenverkehr beteiligten Menschen, egal ob auf dem Rad, zu Fuß oder im Auto.
Wir wollen auf Hauptverkehrsstraßen eigene Radwege mit baulicher Trennung. Dadurch kommen Autos auf der Fahrbahn besser voran. Mit der Umsetzung baulicher Verbesserungen im Radwegenetz werden mehr Menschen auf das Fahrrad umsteigen. Auch Autofahrende profitieren davon, wenn weniger Autos unterwegs sind und weniger Parkraum beansprucht wird.
ABER...
Es reicht nicht aus, dass man mit dem Fahrrad theoretisch überall hinkommt. Fahrradfahren muss sicher, entspannt und komfortabel werden, damit Menschen jeden Alters diese Möglichkeit nutzen können. Im Moment werden der Fuß- und Radverkehr auf das bisschen Fläche gequetscht, das der Autoverkehr übrig lässt. Aber auf schmale Schutzstreifen, auf welchen man von Lkws mit hohem Tempo und zu geringem Abstand überholt wird, wagen sich nur die Mutigsten vor. Der Radentscheid richtet sich daher auch nicht an die “Hardcore-Radler”, welche schon jetzt zu jeder Jahreszeit immer mit dem Rad fahren. Der Fokus liegt auf den Bevölkerungsgruppen, welche von der jetzigen Infrastruktur ausgeschlossen werden. Senior:innen, für welche die Ebike-Revolution dramatische Verbesserungen in der Lebensqualität bringen kann. Jüngere Kinder, die endlich mit dem Fahrrad zur Schule fahren möchten. All diese Menschen sollen sich auf dem Fahrrad sicher fühlen dürfen; und genau dafür werden wir uns einsetzen. Breitere Wege, auf denen schnellere Radfahrer:innen langsamere überholen können (ohne dabei den Fußweg nutzen zu müssen), sorgen dafür, dass man mit dem Rad zügig voran kommt. Viele Radwege in Lübeck sind für Lastenräder oder Räder mit Anhänger zu schmal, insbesondere wenn breite Autos nebendran parken und über den Parkplatz hinausragen.
Im Verkehr gibt es leider immer Menschen, die die Verkehrsregeln verletzen – unabhängig davon welches Verkehrsmittel sie dabei benutzen. Der Fahrraddepp ist wie der Autodepp kein Depp, weil er Rad fährt, sondern weil er ein Depp ist. Durch die Schaffung eines guten und zweckmäßigen Radwegenetzes, bei dem die Belange des Radverkehrs gleichwertig mit denen der anderen Verkehrsmitteln berücksichtigt werden, wird das regelkonforme Verhalten jedoch attraktiver und das Konfliktpotential im Straßenverkehr gesenkt. Eine Übersicht über die gängigsten Verkehrsschilder, Gesetze und Regeln für Radfahrer:innen im Straßenverkehr haben wir hier (Übers Radfahren) zusammengestellt.
Als Autofahrer:in sollte man jeder Person, die mit dem Fahrrad unterwegs ist, dankbar sein. Denn schließlich verstopft sie nicht im Auto sitzend die Straße! Man möge sich nur mal vorstellen, alle Radfahrer:innen würden aufs Auto umsteigen. Lübeck würde einen sofortigen Verkehrskollaps erleiden. Denn Fahrräder verbrauchen einfach viel weniger Platz als Autos: Gute Infrastruktur führt zu einer erhöhten Nutzung derselben. Wenn durch qualitativ hochwertige Radwege mehr Menschen aufs Rad umsteigen, dann haben wir alle mehr Platz zur Verfügung. Das kann sogar zu einer Verbesserung des Autoverkehrs führen, selbst wenn an der ein oder anderen Stelle vielleicht mal ein Park- oder Fahrstreifen wegfällt.
Wenn die Straßen und vor allem auch Radwege gut gestaltet sind und gut unterhalten werden (Winterräumdienst usw.), kann man sowohl zu Fuß als auch mit dem Rad unterwegs sein, selbst wenn das Wetter mal nicht so schön ist. Das bestätigt sich, wenn man mit offenen Augen durch Lübeck geht. Auch im Winter sind viele Menschen mit dem Rad unterwegs. Die Menschen in den Niederlanden, Dänemark und Finnland (u.a.) zeigen uns, dass ganzjährige Mobilität mit dem Fahrrad möglich ist. Ein gutes Management der Straßen mit Winterdienst der Hauptradwege sorgt dafür, dass für die meisten Menschen das Rad als Verkehrsmittel auch im Winter praktikabel bleibt. Und die Niederlande, Dänemark und Finnland haben nun wirklich kein
angenehmeres Klima als wir. Ein gutes Beispiel hierfür ist die nordfinnische Stadt Oulu – im Winter bei Schnee und Minusgraden fahren hier etwa 12 % der Verkehrsteilnehmer Fahrrad (im Sommer ca. 30 %). Eine gute Infrastruktur und ein funktionierender Winterdienst machen das möglich. Wir denken: Lübeck kann das auch!
Begrenzte Mittel sind kein Argument gegen eine Förderung des Radverkehrs – im Gegenteil! Keinen anderen Verkehrsträger kann man so günstig und schnell ausbauen wie das Fahrrad. Straßenschäden werden vom Fahrrad kaum verursacht und Unfallkosten sind auch deutlich geringer als beim motorisierten Individualverkehr. Die Umwelt wird nicht belastet und giftige Abgase werden auch nicht produziert. Es gibt eigentlich keine teurere Art, Mobilität zu organisieren, als über den motorisierten Individualverkehr. Vielleicht Lufttaxis. Wenn also mehr Menschen durch einladende Infrastruktur zum Umstieg auf das Rad bewegt werden, kann die Stadt eine ganze Menge Geld einsparen. Über Jahrzehnte hat die Stadt massiv in den Autoverkehr investiert. Inzwischen ist auch dem Letzten klar geworden, dass eine autogerechte Stadt auf Kosten der Lebensqualität geht. Ein Umsteuern kostet erst einmal Geld, aber ist auf lange Sicht günstiger. Und vor allen Dingen eine Investition für ein schöneres Lübeck! Zudem gibt es diverse Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten für die Planung und den Bau von Radinfrastruktur.
Diese Bedenken wurden schon vor 50 Jahren geäußert, als die ersten Fußgängerzonen eingerichtet wurden.
Durch Verkehrsberuhigung und neue Fahrradwege werden Straßen nicht nur attraktiver zum Wohnen, auch die Geschäfte profitieren. Denn die Menschen verweilen eher, wenn sie mit niedrigerer Geschwindigkeit unterwegs sind und die Straße insgesamt belebter ist. Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass mit dem Auto anfahrende Menschen mehr Geld ausgeben würden. Es gilt als belegt, dass Radfahrende oder zu Fuß gehende Kunden zwar pro einzelnem Besuch in einem Geschäft weniger einkaufen, dafür aber wesentlich häufiger in die
Läden kommen und so unterm Strich für mehr Umsatz sorgen. Wenn Geschäfte gut ohne Auto zu erreichen sind, führt das zu häufigeren
Besuchen, weil es bequemer ist, kleinere Einkäufe zu erledigen. Im Übrigen haben Radfahrende auf Grund ihrer preiswerten Mobilität mehr
Geld für Einkäufe übrig. Die AGFK Bayern hat eine gute Übersicht zum Einkaufsverhalten verschiedener Verkehrsteilnehmenden herausgebracht (https://agfk-bayern.de/dateienupload/dokumente/Publikationen_AGFK/AGFK-WirtschaftsRad.pdf).
FIRMENSPENDEN
Am besten besprechen Firmen und Filialisten Sponsoring-Aktionen und Marketing im Einzelnen mit uns (aktion@radentscheid-luebeck.de). Hier ein paar Grundsätze:
- Firmen/Filialen dürfen Unterschriftenlisten auslegen oder bei Aktionen für den Radentscheid mitmachen und damit ihre eigene Besuchsfrequenz erhöhen.
- Firmen können sich bei Radentscheid-Aktionen und -Veranstaltungen einbringen, dann dort auch mit Werbung und Merchandising.
- Auch das Radentscheid-Logo kann im Marketing verwendet werden. Das gilt für Radentscheid- oder Firmen-eigene Aktionen.
Spenden sind steuerlich absetzbar. Bei Beträgen ab 200 Euro pro Jahr stellen wir automatisch eine Zuwendungsbestätigung aus. Bitte dafür bei der Zahlung den eigenen Namen mit Anschrift zusätzlich beim Verwendungszweck eintragen.
Bis zur Grenze von 200 Euro jährlich ist die Vorlage des Überweisungsträgers oder Kontoauszugs beim Finanzamt ausreichend (§ 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStDV).
Als Privatperson können Sie Spenden an gemeinnützige Organisationen bis zur Höhe von 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte als Sonderausgaben steuerlich geltend machen. Übersteigen die Spenden diese Grenze, gewährt das Finanzamt automatisch einen Zuwendungsvortrag und berücksichtigt diesen beim Steuerbescheid des Folgejahres.
Bei Kapitalgesellschaften wirken sich Spenden einkommensmindernd aus.
Bei Einzelunternehmen und bei Personengesellschaften verlagert sich der Spendenabzug steuerlich auf die Ebene der Unternehmer bzw. der Gesellschafter.